Mediengeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts (21)

Film II

 
Film und Wahrnehmungsorganisation: Licht, Ton, Farbe, Montage
 
Die technische Vision von Beginn an: Farb- und Tonfilm

(1) LICHT in der Filmproduktion


Frankreich: die Out-door Sets bei Lumiere und seinen Kameraleuten

USA: Wechsel der Produktion von New York nach Kalifornien ab 1912

In Deutschland: Glashäuser

1896/97 arbeitet Oskar Messter noch mit Bogenlampen: er verändert die Stellung der Kohlenstäbe, "so daß der Lichtbogen hauptsächlich zur Bühne strahlte, und regulierte den automatischen Kohlenvorschub so ein, daß die Lampen mit einem besonders großen Lichtbogen brannten." (O. Messter, Mein Weg mit dem Film)

Messter-Atelier, Berlin, Blücherstr. 32, 1916


"Alte" und "neue" Medien um 1900
: Theater und Film
Max Reinhardts „elektrische" Bühne, Lichtbauten im Theater

Ab 1911: große Glasbauten speziell für die Filmindustrie
- in Tempelhof (Oberlandstraße), errichtet von Paul Davidson (Projektions AG Union)
- am Rande Berlins: Babelsberg 1912.

Babelsberg als Prototyp (Deutsche Bioscop GmbH)
Bauaufsicht und Betriebsleitung: Guido Seeber, Künstler und Ingenieur, Techniker und Erfinder, Kameramann des ersten Stars Asta Nielsen.

 

Studio photo


Ein Kamermann (und technischer Erfinder) als "Architekt" neuer Filmstudios:
- technischer Fortschritt im Zuge der Industrialisierung
- Herausbildung eines neuen, auf das Licht angewiesenen Mediums
- künstlerischer Ehrgeiz

Richtungsweisend (inhaltlich und technisch): "Der Student von Prag", 1913
- Lichteffekte
- Filmtricks (Überblendungen)
- Bildaufbau (scharf ausgeleuchteter Hintergrund)
- Kamera: noch überwiegend starr, zentriert auf die Achse Kameraobjektiv-Akteur


 

(2) TON

Auf der Pariser Weltausstellung von 1900 werden die ersten "Tonfilme" nach dem Nadeltonverfahren (als Kombination von Filmstreifen und Schallplatte) vorgeführt: Szenen aus dem Pariser Alltag, begleitet von Musik, Gesang und Kommentar.

Zeitgleich mit der Etablierung der Kinematographie:

die Einführung der Schallplatte

Aus Margarete Rehm, Information und Kommunikation in Geschichte und Gegenwart:

Der Erfinder der Schallplatte, Emil Berliner,  macht diese mit seiner 1895 entwickelten Schellackplatte zu einem Massenprodukt.
 

1900
Pariser Weltausstellung: die ersten "Tonfilme" nach dem Nadeltonverfahren (als Kombination von Filmstreifen und Schallplatte)

1905-1910
Oskar Messter
experimentiert mit "Tonbildern"

Seit 1919 Lichtton:
drei deutsche Erfinder - Hans Vogt, Jo Engl und Joseph Massolle

USA: William Fox arbeitet ab 1929 mit dem  zum "Movietone" weiterentwickelten Lichttonverfahren und setzt es mit seinen Filmen weltweit durch.


(3) FARBE

1907 Autochrom-Verfahren der Brüder Lumière: farbige Fotografien

Farbige Kinofilme, d.h. handkolorierte Schwarzweiß-Streifen,  seit 1896.
Nahezu alle stummen Spielfilme werden mit symbolischen Farbtönungen vorgeführt:
blau für Nachtszenen, rot für Feuersbrünste, grün für Naturszenen.

1909 George Albert Smith: Kinemacolor-Technik
rotierender Rot-Grün-Filter vor der Kamera bzw. dem Projektor

1916 George Eastmans "subtraktives" Zweifarbensystem Kodachrome

Seit 1917  in den USA - ab 1936 auch in England - die Firma Technicolor:
Dreifarbensystem für Spezialkameras

 



(4) MONTAGE = MATERIALORGANISATION IM FILM

Aus der Notwendigkeit, das filmische Material zu organisieren, entwickelt sich ein Lernprozess:
-  Schnitt, Cut: Bilder trennen und Bilder verknüpfen
-  Schauplätze, Personen, Aktionen trennen oder verbinden
-  den Ablauf der erzählten Zeit verlangsamen oder beschleunigen
-  der einzelne Einstellung erhält im Kontext anderer Bilder eine spezifische Bedeutung

David Wark Griffith,  um 1910 in den USA:
Parallel- und Kontrastmontage als ein Mittel emotional aufgeladener Narration

Sowjetischer Revolutionsfilm nach 1917 (Sergej Eisenstein, Dziga Vertov):
Bürgerliche oder revolutionäre Montage?

Eisenstein: "Intellektualisierung" der einzelnen Filmeinstellung zum bildlichen Begriff, zur Metapher, zum Attraktionszentrum einer nicht-narrativen Argumentation, die nicht an die Einfühlung und Identifikationsbereitschaft des Zuschauers appelliert, sondern an sein Abstraktionsvermögen und seine Fähigkeit, mittels "Einsicht" Zusammenhänge zwischen Fragmenten herzustellen.