Krise der Sprache, neue „Aufschreibsysteme"
Sprachkrise (I)
Literatur:
Norbert Bolz, Abschied von der Gutenberg-Galaxis. In:
Hörisch/Wetzel
(Hrsg.), Armaturen der Sinne
(s. Literaturverzeichnis)
Die „Zeit einer anderen Auslegung" = die Epoche der neuen, technisch
fundierten Medien
Bolz:
„Das ganz neue Verstehen der synästhetischen Medien fällt
in die Zeit der anderen Auslegung - jenseits des Buches, des Sinns und
der Autorenintention. Es hat nicht in der aufgeklärten
Öffentlichkeit
von Gelehrsamkeit und Wissen statt, sondern im Raum der neuen
Massenmedien."
Sprachkrise (II)
Sprachkrise (III)
Fritz Mauthner, Beiträge zu einer Kritik der Sprache, 1901/02
Mauthner:
Jürgen Schiewe:
Unser
Wahrnehmungswissen beruht auf "sozial erblich erworbenen
Zufallssinnen", ist "nur
anthropomorphisch, konventionell, traditionell".
Die Sprache nun beruht auf diesem
anthropomorphischen, mit den Zufallssinnen
erzeugten Wissen. Insofern ist auch sie
anthropomorphisch, besitzt keinen
Bezug zur Wirklichkeit. Wissenschaft ist nichts anderes
als ein Spiel mit
jenem Wissen, mit der Sprache, mit der Erinnerung, dem Gedächtnis.
Sie ist eine soziale Konvention, die Gegenstände der Wirklichkeit
auf eine bestimmte Weise
zu sehen, hat aber mit der Wirklichkeit selbst
nichts zu tun. Die Sprache liefert dem Menschen
kein Abbild der Wirklichkeit,
wie eine Photographie es tun könnte.
Bolz:
„Die
Sensation wird zum Maß für das neue Tempo des Lebens,
mit dem nicht mehr Bücher,
sondern nur noch Plakate und Affichen Schritt
halten können. Die Text-Environments dieser
Plakatwelt wechseln unaufhörlich
und verleihen der Physiognomie großer Städte den Charakter
eines
Zeitungsumbruchs. Die Botschaft des elektrischen Lichts ist die pure
Information
seiner Strahlung;
die Botschaft einer Nachricht ist die unmenschliche Geschwindigkeit
ihrer Übermittlung."
Urbanisierung:
Leben in wechselnden Bildern
Die psychologische Grundlage,
auf der der Typus großstädtischer
Individualitäten sich
erhebt, ist die Steigerung des Nervenlebens,die aus dem
raschen und ununterbrochenen
Wechsel äußerer und innerer Eindrücke
hervorgeht.
Der Mensch ist ein Unterschiedswesen,
d. h. sein Bewußtsein wird durch den
Unterschied des
augenblicklichen
Eindrucks gegen den vorhergehenden
angeregt; beharrende
Eindrücke,
Geringfügigkeit ihrer Differenzen, gewohnte
Regelmäßigkeit
ihres Ablaufs und ihrer Gegensätze verbrauchen sozusagen
weniger Bewußtsein,
als die rasche Zusammendrängung wechselnder Bilder, der
schroffe Abstand innerhalb
dessen, was man mit einem Blick umfaßt, die
Unerwartetheit sich
aufdrängender
Impressionen.
Indem die Großstadt
gerade diese psychologischen Bedingungen schafft - mit
jedem Gang über die
Straße, mit dem Tempo und den Mannigfaltigkeiten des
wirtschaftlichen,
beruflichen,
gesellschaftlichen Lebens - stiftet sie schon in den
sinnlichen Fundamenten des
Seelenlebens, in dem Bewußtseinsquantum, das sie
uns wegen unserer
Organisation
als Unterschiedswesen abfordert, einen tiefen
Gegensatz gegen die
Kleinstadt
und das Landleben, mit dem langsameren,
gewohnteren,
gleichmäßiger
fließenden Rhythmus ihres sinnlich-geistigen
Lebensbildes.
Georg
Simmel online (Werke im Volltext)
Film
Die zerstreute Rezeption der Massen
Literatur:
Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen
Reproduzierbarkeit
der Film „als der derzeit wichtigste Gegenstand jener Lehre von der Wahrnehmung, die bei den Griechen Ästhetik hieß."
Bolz: "Das Kino ist die Schule der neuen taktilen Apperzeption
Die Edison-Site
der Library of Congress
Ein
Film aus
der Edison Factory, um 1900
-
schockhafte Nähe
- Prinzip der Sensation
- Filmaufnahme als Eingriff in die Dingwelt: Zeitraffer, Zeitlupe,
Stopptrick, Montage
- Zerstückelung der Bilder
- Erschließung des „Optisch-Unbewußten"